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Die Geschichte des Emslandes im Rahmen der allgemeinen deutschen Geschichte.

Von Studienrat Geppert, Meppen.

II. Teil: Das Emsland und der 30jährige Krieg
(Zu Grunde liegen 1. Weskamp, "Das Heer der Liga in Westfalen", und 2. Professor Wenkers Nachlaß.

Wir haben unsere Leser im ersten Jahrgange dieses Heimatkalenders bis an die Schwelle des 30jährigen Krieges geführt. Dreißig volle Jahre lang Krieg im Lande! Armes Emsland, wie hat man deine Fluren zerstampft, deine Wälder entholzt, deine Bewohner gequält, gemordet, geschunden. Damals wurdest du das Stiefkind der deutschen Landschaften, wovon wir eingangs sprachen. Die Urkunden berichten vn bösen Taten. Zwei Heerlager standen sich waffengerüstet in Deutschland gegenüber: die Katholiken in der "Liga", die Protestanten in der "Union". Er bedurfte nur eines Funkens, und der Brand war da. In Prag im Böhmerland brach er 1618 aus, in Osnabrück und Münster erlosch er endlich 1648. Unser Emsland ward zunächst von ihm nicht berührt; doch näher und näher kamen die Flammen, und 1622 stiegen auch hierzulande die Feuersäulen empor, und das kam so: Zwei Glücksritter traten nach der Schlacht am Weißen Berge bei Prag (1620) wo Tilly, der Anführer der Liga, den Kurfürsten Friedrich von der Rheinpfalz, angemaßten König von Böhmen, das Haupt der Union, geschlagen hatte, für diesen besiegten "Winterkönig", wie er spöttisch genannt wurde, ein, um dadurch auch ihr eigenes Glück zu finden. Der eine war der Graf Ernst von Mansfeld, der Sohn eines spanischen Statthalters in den Niederlanden, der keinen Streifen Landes sein eigen nannte, also nichts im Kriege zu verlieren hatte, hingen nur gewinnen konnte. Wenn [Wem] er diente, war ihm dabei gleichgültig; er hat aber, obwohl selbst katholisch, stets im Dienste nichtkatholischer Mächte gestanden. Für diesen vaterlandslosen Gesellen gab es nur seine eigene Person, und wo er sich für diese den größten Vorteil versprach, da war er zu haben. - Ein ebenbürtiger Genosse war sein Waffenbruder Christian von Braunschweig, genannt der tolle Christian. Seine Gesinnung= und Handlungsweise geht am besten aus seinem Lieblingsspruche hervor, der auf seinen Münzen geprägt und auf seinen Fahnen gestickt war: "Gottes Freund und aller Pfaffen Feind." Für nichts achtete er das Leben seiner Mitmenschen, für nichts freilich auch sein eigenes Leben. Als sein linker Arm infolge einer vernachlässigten Wunde brandig geworden war, wurde er unter Trommelschlag und Trompetengeschmeter abgenommen, wobei kein Laut des Schmerzes über seine Lippen kam. "Verliere ich gleich Arm und Bein, will ich doch der Pfaffen Feind sein." Diese beiden "Landesverderber", wie sie wegen ihrer Schandtaten damals schon genannt wurden, hatten aber das Kriegsglück am Neckar und am Rheine vergeblich gesucht; sie mußten sich vor Tilly, dem Führer der Liga, zurückziehen, und beide schlugen sich nach Holland durch, wo sie willkommen geheißen wurden. Inzwischen rückte die Vorhut des ligistischen Heeres unter dem Grafen von Anholt von Süden her in Westfalen ein und besetzte die Bistümer Paderborn und Münster (Mai und Juni 1622.) Diese Truppen kamen als Schutz für die beiden geistlichen Fürstentümer, erwiesen sich aber bald im Verlaufe der Einlagerung als drückende Last, Der Sommer 1622 verlief hier ruhig, wenn auch nicht ohne Besorgnis künftiger Gefahren; da nahten diese bereits im Herbste 1622 in der Gestalt des Mansfelders: Er hatte sich von den Holländern aufstacheln lassen, nach Ostfriesland zu ziehen, wobei sie hofften, dieses wohlhabende und bevölkerte Fürstentum in ihren Besitz zu bringen. Natürlich ließ sich der Abenteurer Mansfeld dieses Anliegen nicht zweimal sagen, und so brachen seine berittenen Raubscharen am 1. November 1622 ins Bistum Münster ein und durchzogen das nördliche Münsterland. Brand, Mord, Raub und Plünderung bezeichneten die Marschrichtung dieser Söldner. "Es war über die Maßen schlimm Volk", "das Wehklagen der armen Leute möchte ein steinernes Herz bewegen", "Allmächtiger stehe den Leuten, die sie überkommen werden bei und verleihe selbigen Geduld", so lauten die amtlichen Berichte nach Münster an den Sitz der bischöflichen Regierung. "Unter dem Feuerschein brennender Gehöfte gingen sie an die Arbeit. Was nur immer zu ertappen war, wurde geraubt. Nicht einmal die Kirchen wurden geschont, Kisten und Kasten erbrochen. Was nicht mitgenommen werden konnte, wurde vernichtet oder verdorben. Die armen Einwohner warfen sich den wilden Kriegern zu Füßen und flehten um Gnade; doch erst als große Geldsummen versprochen waren, legten sie die Brandfackeln bei Seite." So zog diese Bande, für die der Name Soldat viel zu hoch ist, durchs Münsterland nach Rheine und von da nach Emsbüren. Hier stieß sie auf das Fußvolk das durch die Grafschaft Bentheim in einer Stärke von 5000 Mann marschiert war. Vereint setzte man über die Ems, und nun ging's ins emsländische Quartier hinein. Haselünne, Meppen, Vechta, Friesoythe, Kloppenburg und Wildeshausen wurden mit Leichtigkeit besetzt. Die Jesuiten, die seit 8 Jahren in Meppen die Seelsorge mit Erfolg übernommen hatten, mußten flüchten, für sie trat der reformierte Prediger Melchior Balthasar aus Winterswyk ein. Übel hauste hier im Emslande die verwilderte Soldateska. Die Münstersche Chronik eines Ungenannten meldet:
"Was Mutwillen dieses Volk bei Einnahme des Emslandes, absonderlich in der Stadt Meppen, verübt an den Jungfrauen in Gegenwart ihrer Eltern, an den Ehefrauen in Gegenwart ihrer Männer und absonderlich an den Gottgeheiligten, dieses darf nicht gemeldet werden." Unter starken Drohungen wurden von jedem Bauern, der einen Pflug sein eigen nannte, 4½ Taler verlangt und außerdem bis zum April monatlich 1 Taler. Außerdem wurden 15 000 Taler besonderer Kontribution gehahlt, aus dem Amte Meppen 5000, aus Vechta und Kloppenburg 10 000 Taler. Sie dienten zur sofortigen Anwerbung weiterer Söldner für Mansfeld, der in Bremen ein Werbebüro, einen Laufplatz, eröffnete. Dazu kamen die Zufuhren, die täglich an Brot, Fleisch usw. geleistet werden mußten. Graf Mansfeld selbst zog bald von Meppen weiter über Kloppenburg nach Strickhausen, dem Schlüssel zum Einmarsch in Ostfriesland, besetzte diese und zog in Aurich ein. Während er im fetten Ostfriesland über seinen Zukunftsplan nachdachte, aus Ostfriesland, Meppen, Cloppenburg und Vechta ein Fürstentum zu errichten, heilt große Tafel auf der bischöflichen Burg zu Meppen ein würdiger Vertreter dieses würdigen Grafen, nämlich der Oberst Isaak Lardin von Limbach. Mit 500 Mann Besatzung war er in Meppen zurückgeblieben, aber täglich vermehrte sie sich durch Neuwerbungen. Ein Hauptlaufplatz für die Söldner war Bremen, wo der Oberst Dodo von Inn- und Knyphausen, ein Ostfriese, in kurzer Zeit 3000 Mann zu Fuß und 700 Pferde warb. Nicht lange dauerte es, da kam Knyphausen mit den neugeworbenen Kompagnien ins Emsland und bezogen Quartier in und um Haselünne, das eine Besatzung geräumt hatte, über die der Bericht lautet: "Die Reiter und Soldaten hausen übel, plündern und rauben. Die Bauern verlaufen und nehmen selber das Gewehr mit an die Hand, dieweil Rauben und Plündern die Oberhand nimmt." Als Mitte Januar 1623 ein neuer Transport von 900 Mann nach Haselünne kam, wurden diese "wegen der Bürger Unvermögenheit, weil guten Teils verwichen" über das Emsland verteilt. In Aschendorf und Umgebung lagen um diese Zeit 400Mann, auf Schloß Nienhues bei Aschendorf 60 Mann, in der kleinen Bauerschaft Borken bei Meppen 140 Soldaten. Die Stadt Meppen sollte neu befestigt und verproviantiert werden. Hierfür mußten die Amtseingesessenen täglich 1 Last Korn und 1 Last Hafer (1 Last = 12 Tonnen), sowie neben Hafer und Stroh monatlich 1000 Taler geben. Dazu wurde ihnen von dem Statthalter Limbach ein neues Jahr, also wohl 12 000 Tlr., gefänglicher Anhaltung und dergl. Strafen; daher "viele Bürger und Bauersleute vor Jammer, Not, Verheerung und Verwüstung ihrer Habseligkeit verlaufen oder hinsterben." - Wie Sklaven mußten die Einwohner Tag für Tag an der Verstärkung der Stadtwälle Meppens arbeiten, ohne daß man ihnen Zeit ließ, für Weib und Kinder zu sorgen. Wie gewissenlos die Söldner mit den notwendigsten Nahrungsmitteln in ihrem Frevelmut umgingen, zeigt die Nachricht, daß sie das unreife Korn zu Pferdefutter abmähten, obwohl es an Heu nicht fehlte. Es war die rein teuflische Lust am Zerstören und Verderbenlassen. Das geschah im Emslande unter den Augen des Mansfeldischen Obersten Isaak Lardin von Limbach, der indes auf der Burg zu Meppen sich's gut sein ließ, besonders an Haselünner Bier, und auf Kosten der Bürger dieses kleinen Städtchens mit seinem Kebsweibe herrlich und in Freuden lebte. Eine besondere Fertigkeit zeigte er darin, sich "Verehrungen gewähren zu lassen. Wir bezeichnen dieses Verfahren auf ehrlich deutsch als schamlose Erpressung. Ein Blick in di Stadtrechnungen der Mansfeldischen Zeit läßt uns diesen Erpresser scharf erkennen. Zu Weihnachten 1622 forderte er innerhalb 4 Tagen 1500 Gulden Löhnung für seine Soldaten, zum Jahreswechsel 1622/23 ließ er sich 40 Reichstaler verehren, wobei seine Militärbeamten dem Beispiele ihres Vorgesetzten folgten. Zum 1. März 1623 ließ er 9 Kirchspielschatzungen von den Bürgermeistern einfordern; es wurden ihm 50 Reichstaler gegeben. Zehn Tage später ließ er sich für die Verlegung seiner Reiter nach Weener nochmals 50 Taler geben. Einmal - es war im heißen Julimonate ließ er sich 31 Kannen Wein spenden, weil er so gnädig gewesen war, acht Meppener Bürger, die er auf dem Rathause gefangen gesetzt hatte, freizugeben. Dieser Gnadenerweis kostete den Rat der ausgesogenen Stadt über 7 Taler. In diesem Sinn regierte der Oberst von Limbach über Meppen Monat für Monat: bald forderte er 50 Taler, bald 100, dann 300, dann 600 Taler. Er forderte hoch, spielte dann den Großmütigen und ließ sich seine Großmut bezahlen. Nicht lange vor seinem Abschied aus Meppen mußten 2 Bürgermeister nach Münster zur Regierung gehen, um - 25000 Taler aufzubringen. Natürlich war ihre Reise ohne Ergebnis, aber sei kostete der Stadt wieder Geld. Kein Wunder, daß die Kasse leer war und niemand der Stadt Meppen Geld leihen wollte, nicht mal 20 Taler. (1623) Und das übrige Emsland? Von Meppen aus unternahmen die Mansfelder ihre Streifzüge, um die Umgegend zu brandschatzen. Kehrten abends Streifkommandos, mit Beute jeglicher Art beladen, heim, so rückten sie am nächsten Tage wieder nach einer anderen Richtung aus, um dasselbe Bubenwerk zu betreiben. So heißt es bereits im Dezember 1622, also nach 2monatiger Besetzung: "Gar grausam und erbärmlich werde im Emslande von den Mansfeldern gehaust und gebrandschatzt; einzelne Aemter sind bis April in hohe unerzwingliche Kontribution gesetzt." (Näheres über die Leiden derLandbevölkerung des besetzten Gebietes bringt die Abhandlung auf Seite . . . "Das Elend unserer Emslandbauern")

Inzwischen waren vom Münsterlande her die Vortruppen der Liga unter dem Grafen von Anholt zur Befreiung des Emslandes langsam herangerückt, und es gelang ihnen bereits im Februar 1623, die Stadt Haselünne sowie die Kreyenborg bei Bokeloh kampflos zu besetzen. Aber nun kamen die guten Haselünner vom Regen in die Traufe, oder noch bezeichnender gesagt, sie vertauschten den Teufel mit Beelzebub, dem Obersten der Teufel. Wer war dies? Es war der neue ligistische Kommandant, Oberst de Fours, ein würdiges Gegenstück zum Mansfeldischen Obersten Limbach, Überall, wo de Fours in Quartier gelegen hatte, in Rheine, Greven, Altenberge, hatte man über dessen "ungeheuer Prozedieren" über sein unerhörtes Verfahren geklagt. Nun lagerte er sich mit 800 Reitern und 3 Kompagnien Fußvolk in dem bereits ausgesogenen Hasestädtchen ein, wo bald die größte Not herrschte. Im März war an Lebensmitteln, Heu, Hafer und dergl. nichts mehr in Vorrat und "es wurden die armen Leute gar übel gehalten, die Häuser abgebrochen oder verbrannt und dergleichen mehr Insolenzen verübt." In kurzer Zeit wurden an des Obersten Tafel 60 Tonnen Bier verzehrt; so schlemmte dieser "Befreier" des Emslandes, der Herr Obrist de Fours, der von einem Schwarme liederlicher Männer und Frauen umgeben war, während der arme und nackte Bürger vergeblich um Brot und Schonung schrie. Diese Söldner lebten eben vom Kriege und jedes Land, ob feindliches oder befreundetes, hatte sein schweres Kreuz zu tragen. - Nun ward Oberst Limbach, dessen lustige Tage zu Meppen auf der Burg gezählt waren, und der täglich seine Abberufung ins Hauptquartier des Mansfelders nach Ostfriesland zu erwarten hatte, erst recht rührig, Kriegssteuern einzutreiben. Er erließ Brandbriefe, drohte Rentmeistern und Richtern des Emslandes, er werde ihre Wohnungen in Brand stecken, wenn sie sich nicht abkaufen würden, und kündigte der Stadt Meppen ihren Untergang an, falls man seinen Forderungen nicht nachkäme.

Unter ähnlichem Elende litt um diese Zeit (Winter 1622/23) und Frühjahr 1623 das reiche Ostfriesland. Schon nach wenigen Monaten war dieses reiche Land von Mansfelds Söldnern heruntergewirtschaftet, die in blindwütiger Zerstörungslust nicht einmal das verschonten, was sie selbst bitter nötig hatten. Butter und Käse warfen sie in Frevelmut an die Wand und besudelten die Nahrung, die sie nicht genossen. Das Vieh ward aus den Ställen gezerrt und außer Landes verkauft, das ungedroschene Getreide zur Streu für die Pferde benutzt, die junge grüne Saat abgemäht. Männer und Greise, Frauen und Kinder wurden mißhandelt. Als ein gefesselter Mann flehte, man möge es ihm erlassen, mit eigenen Augen zu sehen, wie seiner Frau Gewalt angetan wurde, erfüllte man ohne Säumen seine Bitte, indem man ihm die Augen ausstach! Bis zum 1. April 1623 sollten die Städte Ostfrieslands 600 000 Taler Kriegssteuer zahlen; falls nicht pünktlich bezahlt würde, werde er für jeden weiteren Tag 10 000 Taler als Strafe eintreiben; also befahl Graf Ernst von Mansfeld. Dabei konnten die Ostfriesen sich nicht auf Mittellosigkeit berufen, denn die schlauen Holländer sich gegen Bürgschaft bereit, diese Summe vorzustrecken. So hatten sie die Möglichkeit, jederzeit in die Geschicke Ostfrieslands einzugreifen, was sie gern taten. Nach Jahresfrist (Dezember 1623) konnte sich der Mansfelder in diesem von ihm selbst ausgesogenen und ausgeraubten Lande vor Hunger nicht länger halten, so daß er einen Einfall ins Münsterland plante. Über Friesoythe - Altenoythe wollte er unserem Emslande einen Abschiedsbesuch machen, bevor er Ostfriesland verließ. Der uns sattsam bekannte Oberst Limbach war Führer dieser Einbruchstruppe. Doch der Zug fand an der Kirchhofsmauer von Altenoythe ein klägliches Ende, der ligistische Unterführer Graf Anholt stand auf treuer Wacht, und der Mansfelder mußte mit blutigem Schädel abziehen. Den Ostfriesen aber präsentierte Graf Mansfeld eine Abfindungssumme von 300 000 Gulden dafür, daß er,der ungebetene Gast, ihr Land endlich verließ. Die Holländer streckten die Summe vor, und Mansfeld begab sich mit vollen Taschen und leerem Magen, aber grimmigen Herzen nach dem Haag [Den Haag?]. Bis auf die Hefe hatten die Ostfriesen den Kelch der Leiden kosten müssen (Nov. 1622 bis 1. Januar 1624). Auf 10 Millionen Gulden wird der Verlust an Geld und Geldeswert geschätzt. Es stand nicht mehr als das 6. Haus, es lebte nur noch der 5. Mensch. In Leer lagen noch nach 5 Jahren (1629) gegen 300 Häuser in Asche, und die Emshäfen waren als Pfand in den Händen der Holländer.

Aber wir haben des Mansfelders ebenbürtigen Herzbruder, den tollen Cristian von Braunschweig, ganz aus den Augen verloren, oder saß der ruhig und müßig im Haag? Das wäre seiner wilden Natur zuwider gewesen. Gleichzeitig mit seinem Waffenbruder hatte Christian in Holland und in Deutscshland seine Laufplätze (Werbeplätze) eröffnet und großen Zulauf erhalten. Auch ihn reizten die Holländer zum Einfall in Deutschland, und im Januar 1623 zogen wilde Reiterscharen aus Holland zur Unterems, hingen bei Rhede über die Brücke und Heede über die Fähre und zogen über Wahn-Sögel-Cloppenburg zur Hunte und weiterhin zur Weser. Aber wieder war das Kriegsglück dem tollen Braunschweiger nicht hold, so daß er sich zurückziehen mußte, verfolgt von dem Oberfeldherrn der Liga, dem bekannten Grafen Tilly. Dieser hielt zwar "scharfe Disziplin und verbot das Streifen ernstlich", aber infolge des Mangels an Lebens= und Löhnungsmitteln "kam doch viel Ungemach vor und die Straßen waren unsicher". Da zu befürchten stand, daß Christian von Braunschweig sich auf seinem Rückzuge mit dem in Ostfriesland stehenden Mansfeld vereinigen werde, blieb Tilly ihm dicht auf den Fersen. Tatsächlich hatte Mansfeld seine Truppen zwischen Haselünne und Lingen zusammengezogen, und Oberst Limbach hatte von Meppen aus starke Brandschatzungen ins Stift Münster hinein vorbereitet, aber er kam nur bis Rheine, und Christian von Braunscshweig mußte nach Westen abbiegen, um durch das Stift Münster ins Holländische zu gelangen. Da faßte Tilly, der den Grafen Anholt an sich gezogen hatte, bei Stadtlohn in Westfalen den flüchtenden Braunschweiger (August 1623). "Da haben die Kanonen und Musketen angefangen zu musizieren und spielen, daß alles erzittert, als wenn Erde und Himmel vergehen wollten." Aber die erst jünst geworbenen hungrigen Söldner waren "des Hagelgeschosses und starken Platzens" nicht gewohnt, und "wie es zum Metzgen kommen, ist unglaublich zu sagen, wie mancher ins Gras gebissen, welches ein jämmerlich Spektakel gewesen, darin die Kroaten sich meisterlich brauchen lassen. Mit ihren langen Krummsäbeln sabelten sie alles nieder, was ihnen vorkommen. Endlich, wie man des Schlachtens fast müde geworden, auch der Herr General Tilly solches stark verboten, ist der Rest gefangen genommen. Die Erde war an allen Orten mit Toten überhäuft, welches jämmerlich zu sehen war."

Die Folgen dieser Niederlage des Braunschweigers waren für den Grafen Ernst von Mansfeld, daß er seinem Obersten Limbach den Befehl erteilte, Meppen und das Emsland zu räumen und sich auf ihn nach Ostfriesland zurückzuziehen. Am 13. August 1623 verließ der Oberst Meppen, und bald zog von Süden her der siegreiche ligistische Feldherr Tilly ins Emsland. Jubelten die Meppener und Emsländer ihrem Befreier zu? Sie waren zu zermürbt, um ihrer Freude fröhlichen Ausdruck verliehen zu können. Eben noch beim Abmarsch hatte Limbach ihnen einen gehörigen Denkzettel gegeben, indem er von der Meppener Bürgerschaft die Abfindungssumme von 7000 Reichstalern verlangte und als Geiseln sechs Bürger mitnahm. Während diese nach Holte (Ems) geschleppt wurden, eilten ihre Ehefrauen mutig nach Haseslünne und nach Lingen, um Geld aufzunehmen, aber erst im Januar 1624 konnte das auf 5000 Taler ermäßigte Lösegeld ausgezahlt werden. Ferner hatte Limbach beim Abzuge dem Magistrate das Versprechen abgefordert, niemals die Rückkehr der Jesuiten zu gestatten. Ein weiterer Grund, die Freude über den Abzug der Mansfelder zu dämpfen, lag in dem Verhalten der Befreier, der ligistischen Truppen. So hoch Tillys Persönlichkeit über einen Ernst von Mansfeld und den tollen Christian stand, so wenig taugten die kaiserlichen Truppen, besonders die wilden Kroaten. Sie erwiesen sich als dieselben Räuber, Mörder, Mordbrenner, wie die sattsam bekannten Gegner. Was halfen auch alle strengen Befehle Tillys, Mannerzucht zu halten, wenn nicht genügend Löhnungs= und Lebensmittel vorhanden waren, und je größere Trupppenverbände an der ostfriesischen Grenze zusammengezogen wurden, desto schwieriger wurde die Verpflegung. Tilly selbst empfand bitter diese Schmach und Not. "Dieser ganze Feldzug ist für meine Soldaten eine Verkettung von Not, Ungemach und Mangel." In Rheine und Umgebung, wo sein Heer 8 Tage lang gerastet hatte, war alles ausgesogen, alles Getreide verbraucht oder verdorben, alles Vieh abgeschlachtet, die Verheerung so groß, daß um Rheine nicht ein Zaunstaken mehr heil war". Vom Juli bis September 1623 berechnete Rheine den Soldaten der Tillyschen Einlagerund auf über 90 000 Taler. Ein Notschrei über den anderen drang aus den westfälischsen Städten an das Ohr des Landesfürsten; schon auf das Gerücht hin über kommende Einquartierung erhoben sich Rat und Bürgerschaft zum lauten Protest bei der Regierung in Münster.

Weiter zogen Roß und Reiter von Rheine nach Salzbergen und wiederum dasselbe Bild: "Alle Kornfrüchte sind weggenommen samt der übrigen Habe, so daß wir von Tür zu Tür betteln müssen. Das ganze Kirchspiel ist zu Grunde verdorben durch elende Krankheiten und Truppendurchzüge. Nicht ein Stück Brot ist mehr im Spind. Mit Eicheln und Rüben müssen wir das Leben fristen; sind auch diese verzehrt, so müssen wir vor Hunger und Kummer verschmachten. In Rheine und Salzbergen sind bereits viele aus Mangel an Nahrungsmitteln ganz trostlos weggestorben." Weiter nordwärts zogen diese Scharen, und am 22. August 1623 hielt Graf Tilly seinen Einzug in die Hauptstadt des Emslandes, wo er auf der bischöflichen Burg Quartier nahm. Nun mußte das bereits durch Mansfeld ausgesogene Land die ganze Last der Tillyschen Einlagerung tragen, "und wenn nicht bald alles auf einen anderen Fuß gesetzt werde, werden alle Eingesessenen den Pflug an die Wand hängen und den Bettelstab ergreifen müssen." Zum Glück verlegte Tilly schon nach drei Wochen seine Hauptmacht nach der Weser, nachdem er seine Absicht, den Grafen Mansfeld in Ostfriesland anzugreifen, aufgegeben hatte, weil dieser durch die Durchstechung der Deiche weite Strecken unter Wasser gesetzt hatte. Er überließ es der Zeit, das Mansfeldische Heer durch Hunger und Krankheit aufzulösen, was tatsächlich eintrat, wie wir oben bereits erzählt haben. Zur Sicherung des Emslandes blieben in Meppen und Haselünne ligistische Garnisonen zurück, die den Bürgern Beschwerden genug machten; denn sonst hätten sich sicherlich nicht Bürgerfrauen nach Münster zu den bischöflichen Räten und von da nach Warendorf zu dem ligistischen Unterführer Grafen Anholt nach Warendorf begeben, um eine Erleichterung von der Garnison zu erbitten. Die Offiziere derselben waren anmaßend und rücksichtslos gegenüber ihren Quartierwirten und ließen sich ebenfalls gerne "Verehrungen" reichen. Wüst und roh waren ihre Mannschaften, so daß ein Bericht aus Haseslünne lautet, "daß durch die Mansfelder und hernach durch Kaiserliche Völker Häuser verbrannt, und verhheret da liegen, die Leute arm verstorben oder aus der Stadt verzogen sind, die Ländereien nicht vermietet werden können, insoderheit die zur Hofesaat (frühere Burgstätte) gehörigen Grundstücke meist wüst sind. Es sind 34 Scheunen vor der Stadt demolieret, 45 Bürger zum Betteln und 40 zum Auswandern gebracht. Der durch die Mansfelder und Kaiserlichen angerichtete Gesamtschaden beläuft sich auf über 100 000 Taler." Und über Meppen vernehmen wir eine amtliche Bemerkung (1627), "daß infolge der Mansfeldischen und kaiserlichen Kriegsvölker Einlagerung schwere Schulden gemacht, Häuser niedergerissen, Bürger verlaufen, gestorben, verdorben sind. Während 1622 unter Mansfeld 2 Häuser als ruiniert bezeichnet werden, sind 1626, also unter Tilly, 23 Häuser wüst, geschlossesn, ruiniert, abgebrochen, niedergebrannt," und das bei einer Gesamtzahl von rund 200 Feuerstätten! Als dann die Holländer im Jahre 1628 Emden besetzen und Miene machten, in Westalen einzufallen, wurde das Emsland mit neuen kaiserlich=ligistischen Kriegsvölern belegt und das Elend nahm wieder zu. Was half es, daßdie bischöfliche Regierung den Meppenern als Erstattung der Mansfeldischen Kontribution die Summe von 2000 Reichstalern auszahlte, wenn neue Lasten über die Bürger kamen, wenn die Offiziere ihre Pferde auf der Mersch im Korn weiden ließen, wenn in den Häusern eine solche Menge Soldaten lag, daß die Handwerker für eigene Arbeit keinen Raum mehr fanden, wenn die Bürger zur Erweiterung der Festungswerke mit Hand und Geld herangezogen wurden, wenn die Soldaten den Einwohnern tagtäglich Hab und Gut stahlen. So vergingen im Emslande die 10 Jahre nach dem Mansfeldischen Einfall (1623 bis 1633), ohne große kriegerische Begebenheiten und doch unter schwerer Not und schwerem Elende.